Das Glockenspiel erklang erstmals zum Neujahrstag 1715.
Die mangelhafte Qualität der in Berlin gegossenen Glocken (Jacobi) bewog dann zwei Jahre später die Gemeinde, den Guss von 35 neuen Glocken in Amsterdam, bei Johann Albert de Grave, in Auftrag zu geben, die dann – in 17 Holzfässern auf dem Seeweg nach Berlin verschickt – im November 1717 montiert wurden.
Die Anordnung der 37 Glocken im offenen Glockengeschoss erfolgte nach statischen und symmetrischen Gesichtspunkten. So hingen die Glocken in zwei Reihen übereinander, wobei die fünf größten Glocken mittig platziert wurden.
Unterhalb der Glocken befand sich ein kleines Kabinett mit einem Spieltisch. Von dort aus fand die Bedienung der Glocken statt. Spieltisch und Glocken waren durch metallene Züge verbunden, sodass vom Spieltisch aus freie Melodien gespielt werden konnten. Auch Konzerte wurden aufgeführt und Kompositionen eigens für das Glockenspiel umgeschrieben.
Durch eine weitere Verbindung der Glocken mit der Kirchenuhr gab das Glockenspiel alle sieben Minuten ein einfaches Zeitsignal, jede Viertelstunde erklang eine kurze Melodie, jede halbe Stunde spielte ein kurzer und jede volle Stunde ein langer Choral. Die Glocken konnten also sowohl über einen Spieltisch, durch den Carilloneur bedient werden, als auch über das Uhrwerk.
Zu den verschiedenen kirchlichen Feiertagen wurden die Melodien vierzehn bis fünfzehn Mal im Jahr gewechselt.
Technisches Details: Die Walze, die das Uhrwerk steuerte, hatte einen Durchmesser von fünf Metern. Sie konnte durch einzusetzende Stifte programmiert werden. Es gab rund 900 dieser Notenstifte (43 dieser Stifte waren für die Achtelstundenspiele dauerhaft auf der Walze befestigt). Die Walze hatte zusammen knapp 5000 quadratische Löcher.
Ursprünglich musste der Antrieb für die Uhr und das Glockenspiel zweimal täglich aufgezogen werden. Bei einem Gewicht allein der Spielwalze von 20 Zentnern keine leichte Aufgabe. Erst 1905 wurde ein elektrischer, automatischer Aufzug eingebaut.
Die Parochialkirche war für ihr Glockenspiel berühmt und die Berliner tauften sie bezeichnend und liebevoll „Singuhrkirche“. Zu den wöchentlichen Konzerten kamen mehrere hunderte Besucher. Aus der Zeit zwischen 1920 und 1939 sind noch zahlreiche Programme der Konzerte erhalten.
Anfang der 30er Jahre gab es europaweit ausgestrahlte Rundfunkübertragungen des Glockenspiels. Touristen begannen Fahrten durch das „stille alte Berlin“ zur vollen Stunde an der Parochialkirche.